Maskenpflicht: OVG NRW misstraut Ärzten - Problematische Entscheidung aus Münster

Das Oberverwaltungsgericht NRW hat mit Beschluss vom 14. September 2020 (Aktenzeichen: 13 B 1368/20) eine Beschwerde zurückgewiesen, mit der zwei Schüler aus Bocholt eine vorläufige Befreiung von der Maskenpflicht während ihres Aufenthalts in den Schulgebäuden und auf dem Schulgelände erlangen wollten. Nach der derzeit gültigen Corona-Betreuungsverordnung müssen Schüler/innen in der Schule eine Mund-Nase-Bedeckung tragen. Ausnahmen von dieser Verpflichtung sind unter anderem für Schülerinnen und Schüler vorgesehen, während sie im Unterrichtsraum auf ihren Sitzplätzen sitzen oder in Pausenzeiten bei der Aufnahme von Speisen und Getränken. Darüber hinaus kann die Schulleitung aus medizinischen Gründen, die auf Verlangen nachzuweisen sind, eine Befreiung von der Maskenpflicht erteilen.

Die Antragsteller sind Schüler einer weiterführenden Schule in Bocholt. Zur Begründung ihrer Befreiungsanträge reichten sie jeweils zwei für beide Antragsteller gleichlautende ärztliche Bescheinigungen ein. In dem ersten Attest hieß es, dass das ganztägige Tragen eines Mund-Nase-Schutzes im Unterricht aus gesundheitlicher Sicht nicht zu befürworten sei, weil dadurch Konzen­tration, Aufmerksamkeit und Lernerfolg der Antragsteller negativ beeinflusst würden. Das zweite Attest beschränkte sich auf die Feststellung, dass die Antragsteller aus gesundheitlichen Gründen von der Maskenpflicht befreit seien. Die Schulleitung erteilte keine Befreiung von der Maskenpflicht. Den Eilantrag der Antragsteller lehnte das Verwaltungsgericht Münster ab. Die dagegen gerichtete Beschwerde blieb erfolglos.

Zur Begründung führt das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass die Antragsteller das Vorliegen von medizinischen Gründen, die eine Befreiung von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung rechtfertigten, nicht glaubhaft gemacht hätten. Um der Schule bzw. dem Gericht eine sachgerechte Entscheidung zu ermöglichen, bedürfe es grundsätzlich der Vorlage eines aktuellen ärztlichen Attests, das gewissen Mindestanforderungen genügen müsse. Aus dem Attest müsse sich regelmäßig nachvollziehbar ergeben, welche konkret zu benennenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf Grund der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung in der Schule alsbald zu erwarten seien und woraus diese im Einzelnen resultierten. Soweit relevante Vorerkrankungen vorlägen, seien diese konkret zu bezeichnen. Darüber hinaus müsse im Regelfall erkennbar werden, auf welcher Grundlage der attestierende Arzt zu seiner Einschätzung gelangt sei. Diese Anforderungen erfüllten die vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen ersichtlich nicht.

Diese Entscheidung des OVG ist sehr problematisch, und zwar aus mehreren Gründen:

Einerseits unterstellt es, dass ärztliche Atteste für Schulleitungen immer nachprüfbar sein müssten. Das geht weit über die üblichen Gepflogenheiten zum Beispiel im Arbeitsrecht hinaus: Das ärztliche Attest eines Arbeitnehmers hat gegenüber dem Arbeitgeber einen hohen Beweiswert. Nur wenn besondere Gründe im Ausnahmefall dafür sprechen, dass das Attest unrichtig sein könnte, kann sich die Beweislast umkehren. Warum das OVG hier von diesen bewährten Grundsätzen bei Attesten von Schüler/innen abweicht, ist nicht ersichtlich und auch nicht sinnvoll. Denn diese Rechtsprechung bürdet Schulen unnötige zusätzliche Arbeit auf und nützt im Ergebnis weder Schulen noch Schüler/innen. Zudem stellt es ohne Grund den Berufsstand der Ärzte unter Generalverdacht, im Falle der Maskenpflicht zur Ausstellung von Gefälligkeitsattesten zu neigen. Dafür gibt es zumindest bisher keine Anhaltspunkte.

Zum Anderen dürfte das, was das OVG von Ärzten erwartet, auch gegen die allgemeinen Grundsätze des Datenschutzes verstoßen: Ebenso wenig wie es den Arbeitgeber etwas angeht, welche Krankheit der Arbeitnehmer hat, darf es die Schulleitung interessieren, warum ein Schüler oder eine Schülerin keine Maske tragen soll.

Ingo Krampen, Rechtsanwalt und Mediator

Quelle: https://www.ovg.nrw.de/behoerde/presse/pressemitteilungen/75_200924/index.php

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