Der Schüler eines privaten Gymnasiums in kirchlicher Trägerschaft war ursprünglich als Mädchen eingeschult worden. Später nahm er eine Geschlechtsumwandlung vor. Daraufhin kündigte der Schulträger fristlos. Das Landgericht Aachen verpflichtete die Schule im Eilverfahren zur Weiterbeschulung des Schülers bis zur Entscheidung in der Hauptsache. Das Oberlandesgericht Köln bestätigte nun diese Entscheidung mit Urteil vom 20.3.2020 (Aktenzeichen 20 U 240/19).
Eine Besonderheit des Falles bestand darin, dass es im Schulvertrag keine Vereinbarung über die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung gab. Deshalb ging das OLG davon aus, dass mangels anderweitiger Vereinbarung der Vertrag bis zum angestrebten Schulziel, also bis zum Abitur, laufen sollte. Die Schule konnte sich daher nur auf ein Recht zur fristlosen Kündigung stützen, das in privatrechtlichen Verträgen immer nur dann gegeben ist, wenn dem kündigenden Vertragsteil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertrages bis zur vereinbarten Beendigung nicht zugemutet werden kann.
Diese Voraussetzungen sah das OLG hier nicht verwirklicht. Dabei war sogar noch eine Besonderheit zu beachten, die die Situation für den Schüler verkomplizierte: Das Gymnasium, um das es hier ging, unterrichtet nämlich monoedukativ, war also ein reines Mädchengymnasium. Deswegen unterstellte das Gericht, dass der Schüler, wäre er damals schon männlichen Geschlechts gewesen, nicht in die Schule aufgenommen worden wäre. Andererseits kooperiert die Schule in der Oberstufe mit anderen Schulen, wobei dann auch Unterricht in gemischten Klassen stattfindet. Das Gericht untersuchte im Interesse der Schule noch einige Detailprobleme, die sich, z.B. beim Sportunterricht und bei Klassenfahrten, wegen der veränderten Geschlechtszugehörigkeit des Schülers ergeben könnten, kommt aber letztlich zu dem Ergebnis, dass die Interessen des Schülers an einer weitergehenden Beschulung an seinem Gymnasium schwerer wiegen als die Interessen des Schulträgers: Der Schüler sei gut integriert, was ihm bei der psychologisch nicht einfachen Situation nach der Geschlechtsumwandlung zugutekomme. Ein Wechsel sei für ihn daher nicht zumutbar.
Ingo Krampen, Rechtsanwalt, Notar, Mediator
(Quelle: NJW 27/2020, Seite 1976)