Ein aktuelles Urteil des AG Hannover bestätigt, dass ein Verein verpflichtet sein kann, Mitgliederlisten mit persönlichen Daten herauszugeben. Dabei hat er einiges zu beachten.
Ein Dauerbrenner im Bereich vereinsrechtlicher Auseinandersetzungen betrifft die Frage, ob und unter welchen Bedingungen ein Verein verpflichtet ist, einzelnen Mitgliedern eine vollständige Liste der Mitglieder des Vereins herauszugeben.
Das Interesse des Einzelnen kann hier ganz unterschiedlicher Natur sein. Gerade bei großen Vereinen kann es sich bereits aus bloßer Neugier ergeben, wer noch Vereinsmitglied sein mag. Dies spielt naturgemäß vor allem bei prominenten Mitgliedern oder im Medieninteresse stehenden Vereinen eine Rolle. Häufiger und ernstzunehmender dürfte aber der Fall sein, dass einzelne Mitglieder die anderen Mitglieder zur Ausübung ihrer Mitgliedschaftsrechte animieren oder ein Mitglied für „seine“ Sache werben möchte. Wer dies beabsichtigt, ist gerade in großen Verein auf die Mitgliederliste angewiesen, um Namen und Adressen zur Kontaktaufnahme zu erfahren.
Bereits im Jahre 2010 hat sich der BGH eindeutig positioniert und damit an die seit jeher geltende Grundlinie im Gesellschaftsrecht angeknüpft. Demnach hat ein Mitglied Anspruch auf Herausgabe einer vollständigen Mitgliederliste gegen den Verein, wenn er hierfür ein berechtigtes Interesse vorweisen kann und dem keine überwiegenden Interessen des Vereins oder der einzelnen Mitglieder entgegenstehen.
Wann ein solches berechtigtes Interesse vorliegt, ist laut dem obersten Zivilgericht „keiner abstrakt generellen Klärung zugänglich“, sondern im Einzelfall zu untersuchen. Eindeutig und jedenfalls zu bejahen ist ein solches Interesse, wenn das einzelne Mitglied die Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung anstrebt und hierfür ein „Minderheitenbegehren“ initiiert, wonach ein in der Satzung bestimmtes Quorum eine solche Einberufung auch gegen den Willen des Vorstandes durchsetzen kann. Aber auch in anderen Fällen sei laut aktuellem Urteil des AG Hannover ein berechtigtes Interesse denkbar, wenn wie Mitgliederliste notwendig sei, um das sich aus der Mitgliedschaft ergebende Recht auf Mitwirkung an der vereinsrechtlichen Willensbildung wirkungsvoll ausüben zu können.
Noch unter Geltung des Bundesdatenschutzgesetzes hat der BGH festgestellt, dass jedenfalls das Datenschutzrecht kein Ablehnungsgrund ist. Die gesellschaftsrechtlichen Interessen gehen dem Datenschutz insoweit vor. Das AG Hannover hat Anfang des Jahres 2019 in einem viel beachteten Urteil entschieden, dass diese Wertung auch unter der nunmehr geltenden DSGVO gilt. Der dort verklagte Fußballverein Hannover 96 wurde daher zur Herausgabe der Mitgliederliste verurteilt, was immerhin ca. 23.000 Mitglieder betraf (npoR 6/2019).
Der Grundsatz, dass ein Mitglied Anspruch auf Herausgabe der vollständigen Mitgliederliste hat, wenn ein berechtigtes Interesse vorliegt, wird mit diesem Urteil abermals gestärkt und eher weit ausgelegt, was im Lichte eines demokratischen Willensbildungsprozesses in einem Verein grundsätzlich positiv erscheint. Zu bedenken ist aber, dass dem zum einen gewichtige Gegeninteressen der anderen Mitglieder entgegenstehen können und dass diese Liste häufig missbräuchlich verwendet werden kann. So haben die Rechtsanwälte Barkhoff & Partner bereits im Jahre 2015 ein Urteil des Landgerichts Bonn erwirkt, wonach eine Mitgliederliste eines großen Vereins nicht herauszugeben war, obwohl diese angeblich zur Durchführung eines Minderheitenbegehrens genutzt werden sollte.
Daher sollte der Vorstand eines Vereins stets im Einzelfall prüfen, ob ein berechtigtes Interesse des Antragenden erkennbar und von ausreichender Bedeutung ist und ob Anhaltspunkte für eine missbräuchliche oder übergebührliche Verwendung vorliegen. Ferner sollte der zulässige Umfang der Nutzung der Daten dem Antragenden verdeutlicht und dokumentiert werden.
Jakob Janitzki, Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht