Goethe hat recht: Es erben sich Gesetz und Rechte wie eine ewge Krankheit fort!
Eine seit September 2018 geschiedene Frau verlangte von ihrem geschiedenen Ehemann eine Labradorhündin heraus. Das Familiengericht hatte den Antrag auf Herausgabe und Umgang mit dem Hund zurückgewiesen. Dagegen legte die Frau Beschwerde ein.
Das OLG Stuttgart (Beschluss vom 16.04.2019 - 18 UF 57/19) wies die Beschwerde zurück, und zwar mit der Begründung, dass die Ehefrau ihr Eigentum oder ein gemeinsames Eigentum an der Hündin nicht nachgewiesen habe. Vielmehr sei aus dem Abgabevertrag des Tierhilfevereins, bei dem die Eheleute den Welpen kurz vor der Heirat gekauft hatten, ersichtlich, dass der Ehemann Eigentümer der Hündin geworden sei. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass die Beschwerdeführerin sich um das Tier wie ein Kind gekümmert haben will.
Das OLG verweist auf seine Rechtsprechung aus dem Jahr 2014 zur Zuweisung einer Hündin während des Getrenntlebens von Eheleuten, wonach auf Tiere gemäß § 90a Satz 3 BGB grundsätzlich das Sachenrecht anzuwenden sei. Die Zuweisung eines Hundes nach der Scheidung richte sich somit nach der für Haushaltsgegenstände geltenden Vorschrift des § 1568b Abs. 1 BGB, die eine gerichtliche Überlassung an einen Ehepartner nur bei im gemeinsamen Eigentum stehenden Haushaltsgegenständen vorsehe. Demgegenüber sei eine Zuteilung von im Alleineigentum eines Ehegatten stehenden Haushaltsgegenständen - und damit auch Tieren - anlässlich der Scheidung an den anderen Ehepartner nicht vorgesehen.
Das alles ist hohe juristische Kunst, aber die von vorgestern! Nach § 90a Abs.1 BGB sind Tiere keine Sachen im Sinne des Gesetzes, aber nach Satz 2 derselben Vorschrift werden sie wie Sachen behandelt. Also – da ist das OLG konsequent – wie „Haushaltsgegenstände“ und nicht wie Angehörige des vorher bestehenden Familienverbundes.
Was würde wohl die Labradorhündin zu dieser Argumentation sagen, wenn wir sie verstehen könnten? Dass Tiere wie Sachen zu behandeln sind, und nicht wie Lebewesen, erbt sich als Gesetz seit dem römischen Recht fort. Damals waren allerdings Sklaven auch noch „Sachen“. Insofern besteht Hoffnung für Hunde: Auch die Sklaven haben sich ja im Laufe der Geschichte befreit…
Es wird Zeit, dass wir Juristen begreifen: Manches ist nicht eigentumsfähig. Wasser zum Beispiel, Bäume, und eben auch Tiere. Wir können uns mit der Natur noch nicht verständigen – außer Herrn Wohlleben vielleicht? – und das hindert uns, andere Lebewesen als Menschen wie Rechtssubjekte zu verstehen und zu behandeln, nicht mehr als Sachen, also als Rechtsobjekte. Aber das Urteil des OLG macht einmal mehr deutlich, dass wir an der Beseitigung dieser Ungerechtigkeit arbeiten müssen.
Zur Ehrenrettung der geschätzten hohen Richter in Stuttgart sei noch ihre zusätzliche Begründung erwähnt, die vielleicht – das ist natürlich nur Spekulation – eigentlicher Beweggrund für ihre Entscheidung war: Nach Überzeugung des OLG wäre selbst bei nachgewiesenem Miteigentum der Beschwerdeführerin aus Kontinuitätsgründen rund drei Jahre nach der Trennung der Eheleute eine Aufenthaltsveränderung der Hündin nicht „tierwohladäquat“. Die Hündin lebte seit der Trennung beim Ehemann im früheren gemeinsamen Haus der Eheleute mit großem Garten. Na bitte: das ist doch ein menschlich, oder besser „tierlich“ sinnvoller Grund!
(Quelle: https://rsw.beck.de/aktuell/meldung/olg-stuttgart-kein-anspruch-auf-umgang-mit-hund-nach-scheidung)
Ingo Krampen
Rechtsanwalt, Notar, Mediator