Bundesfinanzhof entscheidet: attac ist nicht gemeinnützig

Die Verfolgung politischer Zwecke ist nicht gemeinnützig. Das entschied der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 10. Januar 2019 (Aktenzeichen V R 60/17) zu Lasten des Trägervereins von attac. Die Tagespresse verstand dieses Urteil teilweise als Abstrafung von attac als politisch unliebsam. Das trifft aber wohl nicht zu. Denn der BFH hat sehr sorgsam abgewogen, ob sich die politische Betätigung von attac noch im Rahmen der Satzungszwecke des Trägervereins bewegt. In der Pressemitteilung des BFH heißt es:

Gemeinnützig ist im Steuerrecht die Verfolgung der in § 52 der Abgabenordnung (AO) ausdrücklich genannten Zwecke. Hierzu gehört nicht die Verfolgung politischer Zwecke. Allerdings dürfen sich Körperschaften nach ständiger BFH-Rechtsprechung zur Förderung ihrer nach § 52 AO steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke in gewissen Grenzen auch betätigen, um z.B. zur Förderung des Umweltschutzes Einfluss auf die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung zu nehmen. 

Mit seinem Urteil verwarf der BFH die Entscheidung der Vorinstanz. Das Hessische Finanzgericht (FG) war davon ausgegangen, dass die nach § 52 AO steuerbegünstigte Förderung der Volksbildung eine Betätigung in beliebigen Politikbereichen zur Durchsetzung eigener politischer Vorstellungen ermögliche. 

Demgegenüber ist nach dem Urteil des BFH für die zur Volksbildung gehörende politische Bildung wesentlich, politische Wahrnehmungsfähigkeit und politisches Verantwortungsbewusstsein zu fördern. Dabei können auch Lösungsvorschläge für Problemfelder der Tagespolitik erarbeitet werden. Politische Bildungsarbeit setzt aber ein Handeln in geistiger Offenheit voraus. Daher ist eine Tätigkeit, die darauf abzielt, die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung im Sinne eigener Auffassungen zu beeinflussen, nicht als politische Bildungsarbeit gemeinnützig. 

Im Streitfall ging es nicht um die inhaltliche Berechtigung der von attac erhobenen Forderungen. Entscheidungserheblich war vielmehr, inwieweit sich Vereine unter Inanspruchnahme der steuerrechtlichen Förderung der Gemeinnützigkeit politisch betätigen dürfen. Nach dem Urteil des BFH ist der attac-Trägerverein nicht im Rahmen gemeinnütziger Bildungsarbeit berechtigt, Forderungen zur Tagespolitik bei „Kampagnen“ zu verschiedenen Themen öffentlichkeitswirksam zu erheben, um so die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Dabei ging es z.B. um ein Sparpaket der Bundesregierung, die Finanztransaktionensteuer, die Bekämpfung der Steuerflucht, ein Doppelbesteuerungsabkommen, ein Bahnprojekt, die wöchentliche Arbeitszeit oder das sogenannte bedingungslose Grundeinkommen.

Es gab interessante Vergleiche in der öffentlichen Diskussion: Warum sollen Schachspielen oder Karneval gemeinnützig sein, politische Aufklärung dagegen nicht. Aber das spricht weniger gegen die Beurteilung von attac als nicht gemeinnützig, sondern eher dafür, die traditionellen und teilweise kuriosen gemeinnützigen Zwecke auf den Prüfstand zu stellen. Denn die vom BFH aufgestellten Grundsätze sind wohl richtig: die Kampagnen von attac sind sicher immer politisch von Interesse, in vielen Fällen auch sinnvoll, aber nicht unbedingt immer auch der Allgemeinheit dienend, also gemeinnützig.

Der Rechtsstreit ist aber noch nicht zu Ende: Der BFH hat das Verfahren an das Finanzgericht zurückverwiesen, weil noch Sachverhaltsfragen aufzuklären waren. Das Finanzgericht hatte nicht festgestellt, ob die für die Gemeinnützigkeit unzulässigen Betätigungen dem attac-Trägerverein selbst oder anderen Mitgliedern der attac-Bewegung zuzurechnen sind. Im letzteren Falle könnte das endgültige Urteil anders ausfallen.

Urteil vom 10.1.2019   V R 60/17

https://juris.bundesfinanzhof.de/cgibin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bfh&Art=en&Datum=Aktuell&nr=39507&linked=pm

Ingo Krampen, Rechtsanwalt, Notar und Mediator

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