- BGH , Beschluss vom 16.05.2017 - II ZB 7/16 -
Mit Beschluss vom 16.05.2017 hat der BGH eine wegweisende Entscheidung getroffen, mit welcher eine große Sorge vieler gemeinnütziger Einrichtungen ausgeräumt wurde.
Was war passiert?
Das Kammergericht Berlin hatte die Amtslöschung einiger Kindertagesstätten im Jahre 2015 obergerichtlich bestätigt. Hauptaussage war, dass solche Einrichtungen eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübten, da es sich bei einer Kindertagesstätte um eine am Markt angebotene Leistung handelt, mit der auch Gelder erwirtschaftet werden sollen. Damit sei der Zweck aber wirtschaftlicher und nicht mehr ideeller Natur. Dies stehe der Einordnung als Idealverein, also einem Verein, der ideelle Ziele verfolgt, entgegen.
Diese Rechtsprechung hatte in breiten Kreisen für große Empörung gesorgt. Auch die Fachleute rieben sich die Augen. Zum einen betraf die Sichtweise des Kammergerichts Berlin nur vordergründig Kindertageseinrichtungen, sie wäre durchaus auch auf Waldorfschulen und viele weitere kleine und große Einrichtungen und Initiativen übertragbar gewesen. Zum anderen verkennt sie offensichtlich die Tatsache, dass mit wirtschaftlicher Aktivität nicht nur dem Einzelnen, sondern auch einem ideellen Zweck gedient werden kann, was seit vielen Jahren rechtlich anerkannt war und z.B. 1997 vom Bundesverwaltungsgericht noch deutlich bestätigt wurde.
Der Rechtsprechung des Kammergerichts Berlin sind in der Folge mehrere Oberlandesgerichte entgegen getreten und haben sich gegen dessen Sichtweise gestellt.
In der Pressemitteilung des Bundesgerichtshofes heißt es nun wörtlich:
„Der Bundesgerichtshof hat den Beschluss des Kammergerichts aufgehoben und das Löschungsverfahren eingestellt.
Er hat ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Löschung des Vereins im Vereinsregister nicht vorliegen. Voraussetzung einer Löschung ist, dass der Zweck des beteiligten Vereins auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist. Das ist bei dem beteiligten Verein trotz des Betriebs mehrerer Kindertagesstätten nicht der Fall. Zwar handelt es sich bei dem Betrieb der Kindertagesstätten um einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Dieser Geschäftsbetrieb ist aber dem ideellen Hauptzweck des Vereins zugeordnet und fällt deshalb unter das sogenannte Nebenzweckprivileg. Dabei kommt der Anerkennung eines Vereins als gemeinnützig im Sinne des Steuerrechts (§§ 51 ff. AO) entscheidende Bedeutung zu. Diese Anerkennung indiziert, dass ein Verein nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb als Hauptzweck ausgerichtet ist. Die Gesetzesmaterialien zeigen, dass der Gesetzgeber den gemeinnützigen Verein als einen Regelfall eines Idealvereins angesehen hat. Der als gemeinnützig anerkannte Verein zielt im Gegensatz zu den Gesellschaften (AG, GmbH etc.) nicht auf einen Geschäftsgewinn und den wirtschaftlichen Vorteil des Einzelnen.
Der Umfang der vom beteiligten Verein betriebenen Kindertagesstätten steht dem Nebenzweckprivileg nicht entgegen, da ihm keine Aussagekraft zukommt, ob der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb einem ideellen Zweck zu- bzw. untergeordnet ist. Da ein Verein nach dem Willen des historischen Gesetzgebers berechtigt sein sollte, die erforderlichen Mittel zur Verwirklichung des Vereinszwecks zu erwirtschaften, kann ihm nicht verwehrt werden, seinen ideellen Zweck unmittelbar mit seinen wirtschaftlichen Aktivitäten zu verwirklichen. Gegen die Einordnung als Idealverein im Sinne des § 21 BGB sprechen auch keine wettbewerbsrechtlichen Gründe.“
Dieser Beschluss korrigiert die aus unserer Sicht völlig verfehlte Sichtweise des Kammergerichts Berlin. Hätte auch nur ein Richter des Kammergerichts sein Kind in eine als Elterninitiative betriebene Kindertagesstätte oder auf die Waldorfschule geschickt, hätte die Kammer erkannt, dass ein dem Zweck dienender, wirtschaftlicher Erfolg einerseits und sinngetragenes, ideelles Handeln andererseits kein Widerspruch sind.
Jakob Janitzki
Rechtsanwalt
Barkhoff & Partner
30.05.2017