Das neue Stiftungsgesetz und seine Bedeutung für die Praxis

In der Sitzung des Bundestages vom 24.06.2021 ist das Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechtes mit großer Mehrheit beschlossen worden. Die Zustimmung des Bundesrates ist am Folgetag erfolgt, die Verkündung im Bundesgesetzblatt am 16.07.2021. Das Gesetz tritt am 01.07.2023 in Kraft.

Bestehende Stiftungen haben so die Möglichkeit, ihre Satzungen den neuen Gegebenheiten entsprechend anzupassen. Die Vorschriften des zugleich beschlossenen Stiftungsregistergesetzes treten am 01.01.2026 in Kraft. Bestehende Stiftungen, die vor dem 01.01.2026 entstanden sind, müssen gem. der Übergangsregelung in § 20 Stiftungsregistergesetz zur Eintragung in das Stiftungsregister bis spätestens 31.12.2026 entsprechend § 82 b Abs. 2 BGB-neu angemeldet werden.

Auf die Stiftungspraxis und auf Stiftungsberater kommt die Herausforderung zu, in Bezug auf bestehende Stiftungen und in Bezug auf neu zu gründende Stiftungen zu prüfen, welche Neuausrichtung aufgrund der neuen gesetzlichen Regelungen erforderlich und sinnvoll ist. Nach Neufassung des Stiftungsrechtes ergeben sich zusätzliche Anforderungen an die Stiftungspraxis und die Stiftungsberater in besondere unter folgenden Gesichtspunkten:

  • Die Neufassung der Regelungen zur Verbrauchsstiftung erfordert eine sorgfältige Gestaltung insbesondere in Bezug auf schon bei Stiftungsgründung geforderte Bestimmungen zur Verwendung des Stiftungsvermögens gem. § 81 (2) 2. BGB-neu für die gesamte Dauer der Stiftungstätigkeit.
  • Der Stifterwille sollte sich aus dem Stiftungsgeschäft und der Stiftungssatzung (möglicherweise auch aus einer Präambel) konkret ermitteln lassen, um so überhaupt Gestaltungsspielräume für die Veränderbarkeit der Stiftung zu eröffnen.
  • Durch die Neuregelung in § 84 c BGB-neu (Notmaßnahmen bei fehlenden Organmitgliedern) besteht verstärkt die Notwendigkeit, die Besetzungsverfahren für die Organe der Stiftung satzungsgemäß gut zu gestalten und dabei auch ggf. Besetzungsrechte Dritter mit einzubeziehen. Nur so kann in jedem Fall vermieden werden, dass die Organbesetzung durch die Stiftungsbehörde selbst im Notfall erfolgt.
  • Für die Verwaltung des Vermögens sollten in der Satzung Konkretisierungen vorhanden sein, um die nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks zu gewährleisten. Die Anforderungen ergeben sich aus dem Zweck der Stiftung, aus der Art und dem Umfang ihres Grundvermögens sowie aus der konkreten Nutzung des Grundvermögens für den Stiftungszweck.
  • Stifterinnen und Stifter sollten sich und ihren Stiftungsorgangen Flexibilität und Zugangsorientiertheit ermöglichen. Die insofern maßgebliche Öffnungsklausel findet sich in § 85 Abs. 4 BGB-neu. Im Stiftungsgeschäft sind künftig sorgfältig die Voraussetzungen vorzugeben, nach denen die Stiftungsorgane Satzungsänderungen jenseits der engen Vorgaben gem. § 85 Abs. 1-3 BGB-neu im Verlauf der Stiftungstätigkeit und im Vollzug neu gewonnener Erkenntnisse beschließen können.

Das am 24.06.2021 beschlossene Stiftungsgesetz ist bei aller berechtigten Kritik zu begrüßen. Mit nunmehr 36 Paragrafen im Bürgerlichen Gesetzbuch anstelle der bisher vorhandenen 9 Paragrafen wird größere Rechtsklarheit geschaffen. Das künftige bundeseinheitliche Stiftungsrecht löst in Zukunft das zersplitterte Landesstiftungsrecht weitgehend ab. Durch die Einführung eines Stiftungsregisters mit Publizitätswirkung entsteht ein größeres Maß an Transparenz.

Die gesetzlichen Neuregelungen sind gleichwohl nur ein Anfang: Die Stiftungspraxis wird sich weiterhin mehr Flexibilität beispielsweise bei der Ermöglichung von Satzungsänderungen durch die Organe der Stiftung, in Bezug auf Erleichterungen bei der Gründung von Verbrauchsstiftungen und der Umwandlung von Ewigkeits- in Verbrauchsstiftungen erkämpfen müssen.

Dass Einflussnahmen möglich und zum Teil erfolgreich sein können, zeigt das sich über einen Zeitraum von 7 Jahren erstreckende Gesetzgebungsverfahren, in dem immer wieder konkrete Vorschläge der Stiftungspraxis erfolgt und – teilweise – berücksichtigt worden sind. Auch für künftige Reformschritte gilt: Die gesetzlichen Vorgaben sollten die Freude am „Stiften“ in Deutschland nicht beeinträchtigen, sondern fördern.

Axel Janitzki, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht und Notar a.D.

(Axel Janitzki hat an der Anhörung im Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz teilgenommen und ist (Mit-)Verfasser zahlreicher Stellungnahmen zur Stiftungsrechtsreform.)

 

 

 

 

 

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